Badische Zeitung: „Enteignung von Versichertenbeiträgen“ – Harald Weinberg, Gesundheitsexperte der Linken, referierte in Bad Säckingen zu Spitalthemen.

07. Juli 2017  Bundestagswahl, Presseecho

BAD SÄCKINGEN (mig). Die medizinische Versorgung ist ein politisch „heißes“ Thema in der Region, daher war es wohl der großen meteorologischen Hitze geschuldet, dass nur etwa 20 Besucher der Einladung der Linkspartei zur Debatte über die Gesundheitspolitik gefolgt und am Donnerstag in die Orangerie im Schlosspark gekommen waren.

Zu Gast waren der Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte der Linken, Harald Weinberg, der Kinderarzt und Bundestagskandidat für den Wahlkreis Waldshut, Lothar Schuchmann, der Kreisvorsitzende Paul Barrois und Stadtrat Angelo De Rosa. „Die Wut in Bad Säckingen ist verständlicherweise groß“, meinte Schuchmann. Als Kern des Problems machte er eine „neoliberale Politik“ aus, die „alle Lebensbereiche privatisieren will“.

Weinberg stellte die Situation vor Ort in einen bundespolitischen Zusammenhang: Die Politik habe den Gesundheitsmarkt für die Privatwirtschaft geöffnet, etwa durch die Möglichkeit für Kliniken, Gewinne und Verluste zu machen. „Früher musste das Budget ausgeglichen werden, und Überschüsse wurden ins nächste Jahr übertragen.“ Das Gewinnstreben bezeichnete er als „Enteignung von Versichertenbeiträgen“. Der politisch gewollte Wettbewerbsdruck sowie die Fallpauschalen führten dazu, dass Kliniken die Kosten – oft auf dem Rücken des Personals – senkten. Kleinere, regionale Häuser blieben dabei auf der Strecke: „Das Krankenhausstrukturgesetz ist ein Krankenhausvernichtungsgesetz.“

Weinbergs Kritik stieß auf große Resonanz: „Heute steht nicht der Patient, sondern die Bilanz im Mittelpunkt“, so Schuchmann: „Das wäre früher undenkbar gewesen.“ Der Unfallchirurg Dirk Thümmler meinte, die Arbeitsbedingungen am Spital seien unerträglich geworden, und er hinterfragte das Streben nach Rentabilität: „Ich kenne schließlich auch keine Feuerwehr, die Gewinn erwirtschaftet.“ Die Menschen hätten ein Recht auf ein ortsnahes Krankenhaus mit Grundversorgung. Der ehemalige Chefarzt Jürgen Stadler erklärte, das Bad Säckinger Haus sei so heruntergewirtschaftet worden, dass es nicht mehr funktionsfähig sei, und Waldshut könne nicht alle Patienten auffangen. Unter großem Beifall meinte er: „Dafür ist der Landrat verantwortlich, und wenn er diese Verantwortung nicht wahrnimmt, muss er eben weg.“

Immerhin sah Paul Barrois eine Chance auf einen Wandel, „sofern die Pflegekräfte zusammen auf die Straße gehen“. Auch Weinberg und Schuchmann ermutigten die Bürger, die Initiative zu ergreifen, denn „die Politik reagiert auf massiven Widerstand der Bürger.“ Weinberg sagte, dass Kommunen und Kreise defizitäre Versorgungseinrichtungen unterstützen dürften: „Den Anspruch sollte man an die Kommunalpolitik stellen.“